Zusammenfassung des Urteils IV 2007/294: Versicherungsgericht
Die Chambre des recours des Kantonsgerichts behandelt die Rechtsmittel von A.F.________ aus Cheseaux-sur-Lausanne gegen Entscheidungen des Zivilgerichtspräsidenten des Bezirks Broye und Nord vaudois sowie des Untersuchungsrichters von Lausanne in den Fällen zwischen A.F.________ und X.________. Es geht um die Honorare eines Anwalts für verschiedene Verfahren, wobei der Richter die Honorare teilweise reduziert. A.F.________ hat die Reduzierung der Honorare beantragt und erfolgreich gegen die Entscheidungen des Juge d'instruction vom 4. Januar 2010 rekurriert. Die Chambre des recours entscheidet, dass die Honorare des Anwalts reduziert werden, und weist darauf hin, dass das Urteil beim Bundesgericht angefochten werden kann.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2007/294 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 02.04.2009 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 21 Abs. 5 ATSG. Rentensistierung bei Straf- und Massnahmenvollzug. Die Arbeitspflicht gemäss Art. 81 Abs. 1 StGB fällt nicht unter eine Erwerbstätigkeit, die einer Rentensistierung entgegensteht, da es sich dabei um einen Arbeitseinsatz in einem geschlossenen System handelt, der mit der Arbeit im Erwerbsleben auch lohnmässig nicht vergleichbar ist. Rechtsprechungsgemäss kann auch im Umstand, dass invalide Gefangene kein Startkapital im Sinn von Art. 83 Abs. 2 StGB aufbauen und keinen Beitrag an den Vollzug im Sinn von Art. 380 StGB leisten können, keine Schlechterstellung erblickt werden, die eine Abweichung von Art. 21 Abs. 5 ATSG rechtfertigt (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 2. April 2009, IV 2007/294). |
Schlagwörter : | Vollzug; Massnahme; Rente; Arbeit; Massnahmen; Massnahmenvollzug; Vollzugs; Vollzug; Gefangene; Person; Massnahmenvollzugs; Recht; Freiheit; Vollzugs; Sistierung; Rentensistierung; Beschwerdeführers; Bundesgericht; Gefangenen; Rechtsprechung; Gericht; Urteil; Untersuchungshaft; Arbeitsentgelt; Massnahmenzentrum; Freiheitsentzug; Startkapital; Halbgefangenschaft |
Rechtsnorm: | Art. 21 ATSG ;Art. 288 ZPO ;Art. 380 StGB ;Art. 59 StGB ;Art. 60 StGB ;Art. 81 StGB ;Art. 83 StGB ;Art. 90 StGB ; |
Referenz BGE: | 114 V 145; 116 V 323; 129 V 215; 133 V 1; 133 V 6; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 2. April 2009
in Sachen
M. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Bewährungshilfe des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 22, 9001 St. Gallen,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
betreffend
Sistierung der IV-Rente im Freiheitsentzug Sachverhalt:
A.
M. , geboren 1978, meldete sich am 12. März 2004 zum Bezug von IVLeistungen für Erwachsene an (act. G 5.21). Dr. med. A. , Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, diagnostizierte im Arztbericht vom 7. Juli 2004 eine traumatische Heimund Gefängniskarriere mit aggressivem und kriminellem Potenzial, anamnestisch eine Toxikomanie, einen Analphabetismus bei psychosozialen Integrationsschwierigkeiten und ein nicht abgeklärtes neuropsychologisches Grundverhalten (act. G 5.41). Dr. med. B. , Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, stellte am 30. Juli 2004 die Verdachtsdiagnose einer Persönlichkeitsstörung und primärer Hirnleistungsstörung mit sekundärer Suchtkrankheit (act. G 5.43).
In der Folgezeit wurde der Versicherte wiederholt psychiatrisch untersucht (vgl. Gutachten des Psychiatrischen Zentrums Wetzikon vom 7. Oktober 2005, act. G 5.75; Gutachten von Dr. med. C. , Facharzt FMH für Psychiatrie, vom 1. März 2006, act. G 5.108; Bericht der Psychiatrischen Klinik Wil vom 2. und 9. Oktober 2006, act.
G 5.124). Im Bericht der Psychiatrischen Klinik Wil vom 2. und 9. Oktober 2006 wurden eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, narzisstischen und dissozialen Zügen (ICD-10 F61.0) vor dem Hintergrund einer traumatisierend und vernachlässigend erlebten Kindheit und Jugend sowie psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, Abhängigkeitssyndrom, mit Konsum von Opiaten, Kokain, Cannabis, in beschützender Umgebung abstinent
(ICD-10 F19.21) diagnostiziert. Eine Arbeitsfähigkeit bestehe nicht (act. G 5.124). Gestützt auf diese medizinische Einschätzung stellte die IV-Stelle mit Vorbescheiden vom 25. April 2007 in Aussicht, einen Anspruch auf berufliche Massnahmen zu verneinen (act. G 5.138) und mit Beginn ab 1. März 2003 eine ganze Rente auszurichten. Wegen Freiheitsentzuges und Untersuchungshaft werde die Rente vom
1. März 2003 bis 29. Februar 2004, vom 1. September 2005 bis 31. Januar 2006, vom
1. bis 30. Juni 2006 sowie ab 1. Oktober 2006 bis auf weiteres sistiert (act. G 5.140).
Die IV-Stelle verfügte betreffend den Anspruch auf berufliche Massnahmen am
7. Juni 2007 (act. G 5.142) und betreffend Rentenleistungen am 12. Juli 2007 im Sinn der Vorbescheide (act. G 5.145 ff.).
B.
Gegen die Verfügungen vom 12. Juli 2007 betreffend Rentenleistungen hat der Beschwerdeführer am 9. August 2007 Beschwerde erhoben. Er beantragt die Aufhebung der Rentensistierung und die Befreiung von allfälligen Verfahrensund Gerichtskosten. Es sei ihm die Freiheit in den letzten Jahren wie folgt entzogen worden: vom 15. März 2002 bis 16. März 2004 (Strafvollzug), vom 23. August 2005 bis
24. Februar 2006 (Strafvollzug), vom 19. Mai bis 3. Juli 2006 (Strafvollzug), vom
28. September bis 2. Oktober 2006 (Untersuchungshaft), vom 3. Oktober bis
27. November 2006 (vorzeitiger Strafvollzug), vom 28. November 2006 bis 6. Februar
2007 (Untersuchungshaft), vom 7. Februar bis 15. April 2007 (vorzeitiger Strafvollzug) und ab 16. April 2007 bis auf weiteres (Massnahmenvollzug). Bei der Entscheidung über die Rentensistierung während des (vorzeitigen) Strafoder Massnahmenvollzugs sei zu berücksichtigen, inwiefern eine versicherte Person aufgrund ihrer Invalidität in der Lage sei, eine Arbeit zu verrichten und sich damit ein Startkapital für die Zeit nach der Entlassung zu ersparen und inwiefern sie an den Kosten des Vollzugs beteiligt werde. Nach Art. 291 des Strafprozessgesetzes (StP) trage der Kanton die Kosten des Vollzugs von Freiheitsstrafen und stationären therapeutischen Massnahmen nur insoweit, als keine Versicherungsleistungen ausgerichtet würden. Eine verurteilte Person bezahle etwa persönliche Anschaffungen und werde an den Kosten der Halbgefangenschaft, des Arbeitsexternats sowie des Wohnund Arbeitsexternats angemessen beteiligt. Eine gefangene Person, die invaliditätsbedingt keiner Arbeit nachgehe und damit kein Einkommen erzielen könne, werde bei vollständiger Rentensistierung gegenüber den validen Gefangenen benachteiligt. Gerade bei Personen, die sich gestützt auf Art. 59 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) wegen einer schweren psychischen Störung gestützt auf Art. 60 StGB wegen einer schweren Suchterkrankung in einer stationären therapeutischen Behandlung
befänden, sei die Arbeitsfähigkeit regelmässig erheblich eingeschränkt überhaupt nicht mehr gegeben. Sie hätten invaliditätsbedingt in aller Regel kaum eine Chance auf eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Die schrittweise Eingliederung werde durch eine Rentensistierung erschwert verunmöglicht, was angesichts der unbestimmten Dauer des Freiheitsentzugs besonders ins Gewicht falle. Statt die Rente einfach für die Dauer der Freiheitsentzüge vollständig zu sistieren, hätte die Beschwerdegegnerin für jeden Freiheitsentzug abklären müssen, ob der Vollzug allenfalls invaliditätsbedingt nicht in einer besonderen Vollzugsform habe erfolgen können, bei welcher der Beschwerdeführer sein Erwerbseinkommen behalten (z.B. gemeinnützige Arbeit Halbgefangenschaft) bzw. ein Einkommen bei einem externen Arbeitgeber erzielt hätte und ferner, ob der Beschwerdeführer während der Vollzüge invaliditätsbedingt kein nur ein geringes Arbeitsentgelt habe erzielen können. Die Sistierung der Rente sei jedenfalls während des Massnahmenvollzugs, der wegen der psychischen Störung und der Suchtkrankheit angeordnet worden sei, nicht zulässig (act. G 1).
Die Beschwerdegegnerin beantragt mit der Beschwerdeantwort vom 1. Oktober 2007 die Abweisung der Beschwerde. Die Rentensistierung während der Strafvollzüge und der Untersuchungshaft sei zu Recht erfolgt. Gleiches gelte auch für die Rentensistierung während des Massnahmenvollzugs. Es genüge diesbezüglich, dass auch die Sozialgefährlichkeit einer versicherten Person eine solche Massnahme notwendig mache. Nicht erforderlich sei, dass die Sozialgefährlichkeit gegenüber einer gleichzeitig bestehenden Behandlungsbedürftigkeit für die Begründung einer Massnahme im Vordergrund stehe. Gemäss des dem Massnahmenvollzug zugrunde liegenden kreisgerichtlichen Urteils vom 27. März 2007 sei aufgrund des Vorlebens des Beschwerdeführers nur eine stationäre therapeutische Massnahme in Frage gekommen. Die Behandlung der psychischen Störung habe das Kreisgericht folgerichtig auf Art. 59 StGB abgestützt. Die Sozialgefährlichkeit des Beschwerdeführers sei somit zu bejahen. Sein Einwand, der Zweck des Startkapitals nach Art. 83 StGB bestehe darin, dass ein Gefangener eine Rücklage für die Zeit nach der Entlassung bilden könne, sei nicht stichhaltig. Eine invalide (rentenberechtigte) Person, die aus dem Strafoder Massnahmenvollzug entlassen werde, bedürfe keines solchen Startkapitals, weil dann die Rentensistierung aufgehoben werde und sie gegebenenfalls auch einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen habe. Sie stehe aus
finanzieller Sicht somit wesentlich besser da als gesunde Häftlinge. Zudem seien die Arbeitsmöglichkeiten von Gefangenen nicht vergleichbar mit den Gegebenheiten ausserhalb einer Anstalt. Das Arbeitsentgelt nach Art. 83 StGB entspreche nicht einem marktgerechten Lohn und habe eher den Charakter eines Taschengelds. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Kosten des Strafund Massnahmenvollzugs müssten nicht von ihm getragen werden, es sei denn, er verfüge über ausreichende finanzielle Mittel; ansonsten würden die Kosten von der Öffentlichkeit übernommen. Von einer Benachteiligung des Beschwerdeführers gegenüber gesunden Gefangenen könne keine Rede sein. Dass die Eingliederung von psychisch kranken drogensüchtigen Gefangenen im Rahmen des Strafund Massnahmenvollzugs schwieriger sei als diejenige eines Gesunden, liege in der Natur der Sache. Dies sei jedoch entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers unabhängig davon der Fall, ob eine IV-Rente sistiert werde nicht (act. G 5).
Der Beschwerdeführer bringt in der Replik vom 2. November 2007 vor, dass sich weder aus dem Gesetz noch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebe, dass eine IV-Rente während eines Strafvollzugs ohne nähere Prüfung einfach zu sistieren sei. Unzutreffend sei die Behauptung der Beschwerdegegnerin, die Sistierung der IVRente während des Massnahmenvollzugs sei aufgrund der Sozialgefährlichkeit des Beschwerdeführers begründet. Dieser befinde sich seit dem 1. Mai 2007 im Massnahmenzentrum D. . Von Anfang an sei er in einer offenen Betreuungsabteilung untergebracht worden, weil weder von einer erhöhten Fluchtgefahr noch von Gemeingefährlichkeit ausgegangen werde. Im Übrigen lautet die Begründung im Wesentlichen ähnlich wie diejenige der Beschwerdeeingabe (act. G 8).
Die Beschwerdegegnerin hat auf die Einreichung einer Duplik verzichtet (act. G 10).
Die Verfahrensleitung teilte den Parteien am 26. Juni 2008 mit, dass das Gericht im letzten Jahr drei gleichartige Fälle entschieden habe. Davon seien zwei Entscheide von der Verwaltung ans Bundesgericht weitergezogen worden. Im einen Fall habe das Bundesgericht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gutgeheissen (Urteil 8C_176/07); der andere Fall sei seit November 2007 beim Bundesgericht hängig. Das hier zu beurteilende Verfahren wurde deshalb im Einvernehmen mit den Parteien bis zum Vorliegen dieses Bundesgerichtsentscheids sistiert (act. G 12). Am 18. Juli 2008
wurden die Parteien darüber orientiert, dass das erwartete Urteil des Bundesgerichts am 17. Juni 2008 ergangen sei (Urteil 8C_702/2007). Die Sistierung des Verfahrens wurde aufgehoben und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt (act. G 14).
Der Beschwerdeführer hat am 3. September 2008 Stellung zu diesem Urteil des Bundesgerichts genommen. Er halte an den bisher eingenommenen Standpunkten fest. Leider verkenne das Bundesgericht, dass das Arbeitsentgelt nach Art. 83 und Art. 90 Abs. 3 StGB nicht nur der Bildung einer Rücklage für die Zeit nach der Entlassung, sondern auch der Bestreitung von Ausgaben während des Strafund Massnahmenvollzuges diene. Es treffe sodann nicht zu, dass invalide Gefangene kein Startkapital nach der Entlassung benötigen würden. Zwar sei die Finanzierung des
Lebensunterhalts durch die IV-Rente gesichert, die meisten Gefangenen benötigten die Rücklage aber nicht in erster Linie für die Sicherung des Lebensunterhalts, sondern für nötige Anschaffungen nach einem langen Vollzug (Kleider, Wohnungseinrichtungen etc.) auch für Wiedergutmachungsleistungen. Ferner erfasse das Bundesgericht nicht den wahren Sinn von Art. 380 Abs. 2 lit. a StGB. Es gehe dabei nicht um eine Verrechnung mit dem Arbeitsentgelt, sondern mit der Arbeitsleistung. Gefangene sollten nach Möglichkeit leistungsorientiert arbeiten und einen wirtschaftlichen Nutzen schaffen. Sie erhielten dafür aber nicht den marktüblichen Lohn, sondern ein geringeres Entgelt. Mit der Differenz zwischen ihrer Leistung und dem geringeren Entgelt würde ein Beitrag an die Vollzugskosten geleistet. Invalide Gefangene seien in aller Regel nicht nicht gleich leistungsfähig und könnten deshalb nicht nur in geringem Mass an die Kosten ihres Vollzugs beitragen. Diese Differenz sei durch die
IV-Rente teilweise auszugleichen; gestützt auf Art. 291 Abs. 1 StP werde eine verurteilte Person verpflichtet, sich mit solchen Versicherungsleistungen an den Vollzugskosten zu beteiligen (act. G 15).
Die Beschwerdegegnerin hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
Streitig und zu prüfen ist die Frage, ob die Ausrichtung der Invalidenrente des Beschwerdeführers während der Dauer der seit März 2003 bis zum Erlass der angefochtenen Verfügungen vom 12. Juli 2007 angeordneten Strafund Massnahmenvollzüge sistiert werden kann.
2.
2.1 Die Auszahlung von Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter kann gemäss Art. 21 Abs. 5 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) ganz teilweise eingestellt werden, solange sich die versicherte Person im Strafoder Massnahmenvollzug befindet; ausgenommen sind die Geldleistungen für Angehörige im Sinn von Art. 21 Abs. 3 ATSG. Ein Massnahmenvollzug im Sinn von Art. 21 Abs. 5 ATSG ist dann nicht
anzunehmen, wenn die Behandlungsbedürftigkeit klar im Vordergrund steht (BGE 129 V 215 E. 1.1). Im Fall der Sistierung ist die Rente für den ganzen Monat, in dem der Vollzug einsetzt, auszurichten; nach dem Ende des Vollzugs wird sie für den ganzen Monat, in dem die Entlassung erfolgt, ausgerichtet (vgl. BGE 114 V 145).
In BGE 133 V 1 ff. wurde entschieden, dass Art. 21 Abs. 5 ATSG entgegen seines Wortlautes an der bisherigen Rechtsprechung (BGE 116 V 323), wonach eine Untersuchungshaft von gewisser Dauer in gleicher Weise Anlass zur Rentensistierung gibt wie jede andere Form des von einer Strafbehörde angeordneten Freiheitsentzuges, nichts geändert hat. Ratio legis der Rentensistierung ist nämlich die Gleichbehandlung der invaliden mit der validen inhaftierten Person, die durch einen Freiheitsentzug ihr Einkommen verliert. Entscheidend ist, dass eine verurteilte Person wegen der Verbüssung einer Strafe an einer Erwerbstätigkeit verhindert ist. Nur wenn die Vollzugsart der verurteilten versicherten Person die Möglichkeit bietet, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und somit selbst für die Lebensbedürfnisse aufzukommen, verbietet es sich, den Rentenanspruch zu sistieren (BGE 133 V 6 E. 4.2.4.1).
Die Kann-Vorschrift des Art. 21 Abs. 5 ATSG erlaubt es, den besonderen Umständen Rechnung zu tragen, wenn eine gesunde Person trotz Strafoder Massnahmenvollzugs einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnte wie in der Halbgefangenschaft Halbfreiheit. Nach der Rechtsprechung fällt die Arbeitspflicht
gemäss Art. 81 Abs. 1 StGB nicht unter eine solche Erwerbstätigkeit, da es sich dabei um einen Arbeitseinsatz in einem geschlossenen System handelt, der mit der Arbeit im Erwerbsleben auch lohnmässig nicht vergleichbar ist. Rechtsprechungsgemäss kann auch im Umstand, dass invalide Gefangene kein Startkapital im Sinn von Art. 83 Abs. 2 StGB aufbauen können, keine Schlechterstellung erblickt werden, die eine Abweichung von Art. 21 Abs. 5 ATSG rechtfertigt. Denn invalide Gefangene bedürfen nicht eines solchen Startkapitals für die Zeit nach der Beendigung des Strafoder Massnahmenvollzugs, da sie ihre Rente (und gegebenenfalls Ergänzungsleistungen) wieder ausbezahlt erhalten. Eine gänzliche teilweise Weiterauszahlung der Rente während des Strafoder Massnahmenvollzugs würde vielmehr zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung der invaliden Gefangenen führen. Mit einer Beteiligung an den Kosten des Strafoder Massnahmenvollzugs nach Art. 380 StGB schliesslich
ist bei invaliden Gefangenen nicht zu rechnen, da die Voraussetzungen gemäss Art. 380 Abs. 2 lit. a-c StGB in der Regel nicht erfüllt sind. So fallen, wenn invalide Gefangene nicht arbeitsfähig sind und nicht arbeiten, eine Verrechnung mit ihrem Arbeitsentgelt während des Vollzugs (lit. a), eine Beteiligung nach Massgabe ihrer
Einkommen und Vermögen bei Verweigerung einer zugewiesenen Arbeit (lit. b) sowie ein Abzug vom Einkommen aus einer Tätigkeit im Rahmen der Halbgefangenschaft, des Arbeitsexternats des Wohnund Arbeitsexternats ausser Betracht (Urteil des Bundesgerichts vom 25. Oktober 2007, 8C_176/07, E. 4.2 = SVR 2008 IV Nr. 32; bestätigt im Urteil vom 17. Juni 2008, 8C_702/07).
3.
Nachfolgend ist zu prüfen, ob die Sistierung für die einzelnen verfügten Zeiträume zu Recht erfolgt ist.
3.1 Vorab ist festzustellen, dass der zeitliche Umfang der einzelnen Sistierungsperioden nicht zu beanstanden ist. Der Beginn der Sistierung erfolgte jeweils erst am Folgemonat des Vollzugsantritts, und die Rente wurde ab Vollzugsbeendigung (rückwirkend auf den Beginn des entsprechenden Monats) wieder ausgerichtet.
3.2 Was die Sistierungsdauer vom 1. März 2003 bis 29. Februar 2004 anbelangt, ist festzustellen, dass sich der Beschwerdeführer während dieser Zeit im Strafvollzug -
grösstenteils in der Strafanstalt und die letzten Wochen im Bezirksgefängnis befand (vgl. act. G 5.48.1, G 5.48.5 und 132). Während der Sistierung vom 1. September 2005
bis 31. Januar 2006 sowie vom 1. bis 30. Juni 2006 befand sich der Beschwerdeführer ebenfalls im Strafvollzug (act. G 5.132; act. G 1). Vom 28. September bis 2. Oktober 2006 sass der Beschwerdeführer in Untersuchungshaft. Für die Zeit vom 3. Oktober bis
November 2006 wurde er in den vorzeitigen Strafvollzug versetzt. Vom
November 2006 bis 6. Februar 2007 sass er erneut in Untersuchungshaft. Ab dem
7. Februar 2007 befand er sich wieder im vorzeitigen Strafvollzug bis zum 30. April 2007 (act. G 5.134.2 f.; act. G 8). Aus den Akten geht nicht hervor und es wird auch vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht, dass er sich für die genannten Zeiträume in einer Vollzugsart im Sinn der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. vorstehende E. 2.3) befand, bei der im Gesundheitsfall die Möglichkeit bestanden hätte, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Insbesondere befand sich der Beschwerdeführer weder in Halbgefangenschaft noch Halbfreiheit. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend ist deshalb entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - davon auszugehen, dass eine ununterbrochene Ausrichtung von Rentenleistungen für die Strafvollzugsund Haftaufenthalte im Zeitraum von März 2003 bis 30. April 2007 im Vergleich mit nicht invaliden Gefangenen zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung des Beschwerdeführers führen würde. Die entsprechend verfügten Rentensistierungen bis April 2007 sind somit zu Recht ergangen.
3.3 Zu prüfen bleibt, ob nach Antritt des Massnahmenvollzugs im Massnahmenzentrum
D. am 1. Mai 2007 die Sistierung der Rentenleistungen weiterhin zulässig ist.
Gemäss Richtlinien der Ostschweizer Strafvollzugskommission über das Arbeitsentgelt in Strafvollzugsanstalten vom 7. April 2006 erhalten eingewiesene Personen für ihre Arbeit ein von den Anforderungen des Arbeitsplatzes und ihrer Leistung abhängiges Entgelt. Das Arbeitsentgelt beträgt für eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden bei normaler bis guter Leistung im Durchschnitt Fr. 26.-pro Tag. Unter anderem für das Massnahmenzentrum D. können die zuständigen kantonalen Behörden besondere Vorschriften erlassen (vgl. Ziffer 1 und 2 der Richtlinien). In der offenen Abteilung des Massnahmenzentrums D. lebende Insassen werden im betriebseigenen landwirtschaftlichen Betrieb, in der Schreinerei, der Schlosserei oder
der Gärtnerei beschäftigt. Sie erhalten zwischen 20 und 30 Franken Entgelt pro Tag (vgl. Artikel der Zeitung vom XX. 2008 über dass Massnahmenzentrum D. einschliesslich eines Interviews mit dem Gefängnisdirektor).
Als nicht invalide Person hätte der Beschwerdeführer somit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Rahmen des fraglichen Massnahmenvollzugs lediglich einer Arbeit in einem geschlossenen System nachgehen können, die auch lohnmässig mit einem Arbeitseinsatz im Erwerbsleben nicht vergleichbar ist. Im Sinn der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. vorstehende E. 2.3) steht die Arbeitsmöglichkeit im Massnahmenzentrum D. somit wie die Beschwerdegegnerin zutreffend ausführt einer Rentensistierung nicht entgegen. Ohnehin ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer gemäss Urteil des Kreisgerichts vom
27. März 2007 wegen seiner pathologischen Drogensucht und psychischen Störung anstatt zu einer vollziehbaren Freiheitsstrafe zu einer freiheitsentziehenden Massnahme verurteilt wurde (act. G 1.2, E. 4). Es ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er ohne Invalidität entsprechend der bisherigen Freiheitsentzüge - die Freiheitsstrafe im Strafvollzug zu verbüssen gehabt hätte. Dabei bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Strafvollzug im Rahmen einer Halbgefangenschaft Halbfreiheit mit einer Erwerbstätigkeit, die mit der Arbeit im Erwerbsleben vergleichbar ist, durchgeführt worden wäre. Würde vorliegend die Rente während des Massnahmenvollzugs im Massnahmenzentrum D. ausgerichtet, so wäre er im Sinn der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. vorstehende E. 2.3) im Vergleich zur Situation im Gesundheitsfall in nicht gerechtfertigter Weise besser gestellt.
3.4
Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen. Die
angefochtenen Verfügungen vom 12. Juli 2007 sind zu bestätigen.
Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-bis Fr. 1'000.-festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.-erscheint in der vorliegend zu beurteilenden Angelegenheit als angemessen. Dem
unterliegenden Beschwerdeführer sind die Gerichtskosten in der Höhe von Fr. 600.--
aufzuerlegen. Dem Beschwerdeführer wurde die unentgeltliche Rechtspflege (Befreiung von Gerichtskosten) am 4. Oktober 2007 bewilligt (act. G 6). Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege ist er von der Bezahlung zu befreien. Wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers es gestatten, kann er jedoch zur Nachzahlung der Gerichtskosten verpflichtet werden (Art. 288 Abs. 1 ZPO/SG i.V.m. Art. 99 Abs. 2 VRP/ SG).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG
entschieden:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Beschwerdeführer wird im Sinn der Erwägungen von der Bezahlung der
Gerichtskosten von Fr. 600.-befreit.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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